Unser Besuch in einer Papierfabrik

In diesem Blogeintrag möchte ich meine Gedanken und Eindrücke über unseren Besuch in einer Papierfabrik in Jaipur berichten, da dieser mich sehr zum nachdenken angeregt hat. Doch zunächst einmal die Vorgeschichte:

Maleen studiert „Restaurierung und Konservierung von Schriftgut“ und schreibt ihre Masterarbeit über Jain-Manuskripte. Diese stammen vorwiegend aus dem 15./16. Jahrhundert. Sie versucht herauszufinden, aus welchen Fasern diese bestehen und wie eine Restaurierung dieser Manuskripte möglich wäre. In der Literatur wird vermutet, dass Jute und Hanf der Hauptbestandteil sind. Zusätzlich zu ihrer Literaturrecherche möchte sie nun auch Informationen aus Indien selbst miteinfließen lassen und möchte nun bestenfalls die Jute-Hanf-These bestätigen, indem sie mit den Menschen vor Ort redet.

Aus diesem Grund hatte sie einen Termin mit dem Chef einer Papierfabrik in Jaipur … Florian und ich haben sie begleitet. Zunächst wurden wir durch einen bewachten Eingang gewunken und wurden bis in ein modernes Büro geführt. Dort haben wir von einem Bediensteten Wasser angeboten bekommen und Maleen durfte dem Chef (ich nenne bewusst keine Namen) mehrere Fragen zu der Beschaffenheit der Manuskripte und der Herstellung des Papiers stellen. Er erzählte uns unter anderem, dass seine Fabriken eine der größten in Jaipur sind, aber schon seit 20 Jahren nur noch Papier aus Baumwolle herstellen. Am Ende des Gesprächs wurden wir zu einer privaten Führung durch eine seiner Fabriken eingeladen.

Dort wurden wir mit seinem privaten Auto von seinem Fahrer hingefahren. Am Eingang weckte das Schild „Child Labour Prohibited“ meine Aufmerksamkeit. Meine erste Reaktion war positiv, ich finde es wirklich gut, dass sie keine Kinderarbeit unterstützen, aber dass sie dafür extra ein Schild brauchen, stimmte mich wiederum sehr nachdenklich.

In der Fabrik selbst durften wir beobachten, wie Papier hergestellt wird. Dafür wird Baumwollstoff zerkleinert und in Wasser eingeweicht. Die sogenannte Pulpe wird dann in eine Art Becken geleitet, wo dann mit einem Schöpfrahmen eine Schicht dieses Baumwoll-Wassergemischs abgetragen wird. Diese wird gepresst und im Anschluss aufgehängt zum trocknen. Am Ende wird das Papier ggf. noch zugeschnitten und auf Qualität geprüft. Es entsteht ein rechteckiges Papier, ca. A2 Format. Dieser Prozess ist der ursprüngliche, sehr aufwändige Vorgang Papier herzustellen. In der Fabrik haben wir zwar auch die Becken zum Schöpfen anschauen können, jedoch waren diese nicht wirklich in Benutzung. Hier wurde das Papier „Handmade“ mit der Maschine hergestellt. Aber auch hier sah man die einzelnen Schritte: Der Baumwollstoff wird mit Wasser gemischt und eingeweicht, später auf ein Band geleitet, wo es in der gewünschten Breite durch verschiedene Rollen geleitet wird, damit es dünner und trockener wird. Am Ende des Prozesses entstand eine Papierbahn, aufgewickelt in Rollenform.

Zusätzlich wurden in der Fabrik Dekoartikel, wie Papierweihnachtsbäume hergestellt. Hier gab es verschiedene Stationen. Stationen zum Ausschneiden/Stanzen, Bemalen, Kleben, Bedrucken und auch zum Überprüfen, sowie zum Verpacken der einzelnen Artikel. Auffällig war, dass vor allem Männer an den Maschinen saßen und Frauen eher für das Bemalen, Kleben oder Sortieren waren. Arbeitsschutzkleidung gab es auch nicht wirklich. Es wurde in Schlappen gearbeitet und alle hatten ihre alltägliche Kleidung an. Lediglich einige Männer, die mit Farbe gearbeitet haben, hatten eine Stoffmaske auf. Zudem wirkten die Menschen dort nicht unzufrieden aus unserer Perspektive.

Ich fand es sehr aufwühlend zu sehen, was für ein Aufwand es ist, diese ganzen Artikel herzustellen und wie blind wir Menschen aus der westlichen Welt diese Artikel Jahr für Jahr kaufen. In welcher Masse sie genau für den Zweck produziert werden. Die Menschen in der Fabrik schienen nicht unter schlechten Konditionen zu arbeiten, aber das war auch nur eine Einschätzung von außen. Dennoch ist es erschreckend zu realisieren, wie unbedacht wir teilweise konsumieren, ohne zu wissen, wo dieser Artikel herkommt und durch wie viele Hände er schon gegangen ist.

Zudem war es sehr befremdlich durch die Fabrik geführt zu werden…man schaut den Leuten beim arbeiten zu und wird automatisch auf eine andere/höhere Ebene gehoben. Obwohl wir in Deutschland „nur“ studieren und nicht zur Oberschicht gehören. Das ist ein beklemmendes Gefühl, weil wir in keinster Weise besser oder höher gestellt als eine dort arbeitende Person sind.

Nach der Führung sind wir noch durch die Straßen gelaufen und sind auf eine weitere Papierfabrik gestoßen, aber in viel kleinerer Form, eher Familienbetriebsgröße. Dort hat uns einer der dort Arbeitenden umhergeführt. Sie stellten ihr Papier ausschließlich per Hand her. Auch hier wurde Baumwollstoff zerkleinert und in Wasser eingeweicht, sowie in ein Becken geleitet, wo dann mit einem Schöpfrahmen eine Schicht dieses Baumwoll-Wassergemischs abgetragen wird. Anschließend wird dieses gepresst und zum trocknen aufgehängt. Zudem war es in diesem Familienbetrieb längst nicht so sauber, wie in der großen Fabrik. Überall lagen Baumwollreste herum, generell war der Boden nicht gepflegt. Um das Gebäude herum lag viel Müll und lilafarbenes, blubberndes Wasser, was wohl das Abwasser war. Auch hier haben alle in ihren Alltagsklamotten gearbeitet. Zudem schienen die Menschen dort zu wohnen, zumindest konnten wir Betten und eine Feuerstelle erkennen.

Zu all dem muss gesagt werden, dass dieser Eintrag nur ein Einblick ist und die Gedanken dazu subjektiv. Ich weiß nicht, was es sonst noch für Fabriken gibt und wie es dort aussieht. Genauso wenig weiß ich, wie sehr das Westlich-Sein dazu beigetragen haben, dass ich „nur das zu sehen bekommen habe, was ich sehen sollte“.

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