Roadtrip zum heiligen Fluss im Herzen Indiens: Die Besonderheiten von Varanasi

Eine unfassbar faszinierende Stadt, wie ich finde und auf jeden Fall einen Blogeintrag wert!

Doch ich fange von vorne an. Unser ursprüngliche Plan war, von Ahmedabad einen Zug zu nehmen, um nach Varanasi zu kommen. Doch dieser wurde uns gecancelt, sodass wir zurück nach Udaipur fuhren. Dort waren wir in der Woche zuvor und haben während unserer Zeit Abhishek kennengelernt. Aufgrund unserer Tattooideen sind wir damals in sein Tattoostudio gekommen und haben uns von ihm tätowieren lassen. Wir haben Zeit miteinander verbracht und auch als wir in Ahmedabad waren, den Kontakt gehalten. Und so kam es, dass er gegenüber uns den Wunsch geäußert hat, unserer Gruppe in Richtung Varanasi zu joinen. Außerdem war er gerade dabei ein Auto für seinen Bruder zu kaufen. 

Ja, es klingt alles ziemlich spontan und das war es auch und ist auch irgendwie typisch Indien:D Und so kam es, dass wir auf einmal anstatt im Zug zu sitzen, in Abhisheks neuem Auto saßen. Das Gepäck im Kofferraum und auf dem Dachgepäckträger, wir (wie immer) bestens ausgestattet mit Keksen und Obst auf unseren Plätzen. Auf dem Amaturenbrett ein kleiner Ganesha, umhüllt von Blumen, der uns auf unserem Weg begleiten sollte. Generell war Abhishek mit seiner Familie zuvor bei verschiedenen Tempeln, um das Auto zu segnen und auch um es in gewisser Weise in der Familie aufzunehmen. 

Und so ging es für uns auf große Reise… ca. 1300 Km Strecke warteten auf uns. Die sind wir natürlich nicht durchgefahren, sondern haben das ganze in vier Reisetage gestaffelt. So sind wir über Ajmer nach Agra, Lakhnau und am Ende Varanasi gefahren. In Ajmer haben wir den ersten Regen in diesem Jahr erlebt (es war völlig unwirklich nach knapp einem Monat ohne) und sind kurzerhand mitten hindurch zurück zum Hostel gerannt:) In Agra war ein obligatorischer Taj Mahal- Besuch zum Sonnenaufgang geplant. Zunächst war ich mir unsicher, ob ich wie jeder Tourist dorthin möchte, doch irgendwie hat es ja auch Gründe, warum das Gebäude so berühmt ist. Und ja, was soll ich sagen, es war unglaublich imposant und absolut sehenswert.

In Lakhnau hatten wir eine kleine Wohnung für uns, die auch eine Küche besaß. So sind wir kurzerhand einkaufen gegangen…in einem kleinen Laden für Gewürze und einem lokalen Markt für Gemüse. Es war für uns wirklich ein Highlight, da wir zu dem Zeitpunkt seit 1,5 Monaten nicht mehr selbst gekocht hatten. Abhishek war unser Koch, wir seine Schüler…wir haben indisch gekocht (Gobhi, Papad, Turai), sprich Blumenkohl und Zuccinicurry, dazu Reis und eine Art sehr dünnes, frittiertes Brot. Es hat wirklich gut geschmeckt!

Am vierten Reisetag waren wir alle schon etwas gerädert, aber irgendwie gewöhnt man sich auch ans Autofahren:) 

In Varanasi angekommen, wurde Abhisheks Geduld mal wieder auf die Probe gestellt. Es war unglaublich voll auf den Straßen und dort, wo uns Maps haben wollte, konnten wir nicht fahren, da keine Autos erlaubt waren. Er hat uns dennoch sehr souverän durch den Verkehr gefahren und nach einiger Zeit auch einen Parkplatz gefunden, der nicht schon ausgebucht war. Angekommen im Hostel sind wir zunächst auf die Terrasse und wurden mit einem atemberaubenden Ausblick belohnt. 

Vor uns lag der Ganges, umgeben von den alten Gebäuden der Stadt. Varanasi gilt als eine der ältesten Städte Indiens. Am Himmel sah man kleine schwarze Drachen, die von verschiedenen Dächern der Stadt gesteuert wurden. Auch unten am Wasser herrschte eine besondere Stimmung. Es war ruhig im Vergleich zum normalen, mir vertrauten Stadtlärm. Keine hupenden Autos zum Beispiel…dafür das Brummen der Motoren der Boote, Gespräche der Menschen und vereinzelt das Plätschern des Wassers der Badenden. 

In den Gassen ist es heiß, die Luft steht und ist geschwängert von Rauch und Staub. Die Stadt ist laut und leise zugleich so scheint es mir. Die Menschen drängen sich aneinander vorbei, gehen ihren Routinen nach und doch ist die Stimmung andächtig. Diese Stadt gilt auch als eine der heiligsten Städte des Hinduismus und wird auch als Stadt des Gottes Shiva Vishwanath bezeichnet. Die Menschen kommen hier aus einem bestimmten Grund hin. Der Ganges. Die Ufer des Ganges sind durch verschiedene Ghats (84 insgesamt) zu erreichen. Ghats sind Stufen, die zum Ufer führen, unterschiedlich groß und bunt sind und verschiedene Namen tragen. So werden die meisten Ghats zum Baden genutzt, während beispielsweise am Dashashwamedh Ghat Zeremonien stattfinden. Außerdem git es zwei Ghats (Manikarna und Harishchandra), die auch Burning Ghats genannt werden. Dort finden Verbrennungen von Verstorbenen statt. Die Hindus glauben daran, dass, wenn jemand in Varanasi eingeäschert wird und seine Asche in das heilige und reinigende Wasser des Ganges gegeben wird, sein Reinkarnationszyklus endet und er das Nirwana erreicht. Jeden Tag werden am Manikarnika Ghat, dem etwa 100 Leichen auf Holzscheiterhaufen am Flussufer eingeäschert. Dieses Ghat ist wirklich rund um die Uhr an jedem Tag in Betrieb. Sogar nachts werden dort Verstorbene eingeäschert. 

Meist werden die Verstorbenen zunächst auf einer mit Blumen und Tüchern geschmückten Trage zum Fluss getragen und kurz ins Wasser getaucht. Im Anschluss wird die Trage auf den Scheiterhaufen gelegt und das Feuer entzündet. Die Angehörigen bleiben bis zum Schluss dabei und verstreuen meist am Ende die Asche im Fluss. 

Doch können wohl nicht alle an diesen Ghats verbrannt werden, habe ich herausgefunden. Schwangere, Kinder, Priester und auch Leprakranke werden wohl auf einer Trage auf den Fluss gelegt und werden dann mit der Strömung davongetragen. Zudem dürfen nur die Menschen aus Varanasi selbst dort eingeäschert und in den Fluss gelegt werden. Das ganze mag sehr düster, makaber und gruselig klingen, aber Varanasi ist voller Leben und Feiern. In Varanasi zu sterben und eingeäschert zu werden, bedeutet, die Chance zu haben, Moksha (das Ende des Wiedergeburtszyklus) zu erreichen. 

Ich war mir auch zunächst nicht sicher, wie ich all dem entgegenstehen soll…doch dadurch, dass die Menschen vor Ort ein anderes Verständnis von Leben und Tod haben, war es für mich auch leichter die öffentlichen Verbrennungen nachzuvollziehen. Für die Menschen bedeutet der Tod nicht das Ende, sondern eher die Erlösung. Generell ist der Tod Teil des Lebens und nicht so negativ konnotiert, wie er es bei uns in der westlichen Welt ist. Dennoch fand ich es falsch, den Verbrennungen zuzugucken oder dem allzu nah zu sein, einfach weil ich den Angehörigen den Raum zu geben, den sie brauchen und mich nicht gern in der Beobachtungsrolle befunden habe in diesem Kontext. Dementsprechend habe ich immer ein Ghat vorher wieder umgedreht. Doch viele Andere schien das kaum bis gar nicht zu stören: Es wurde teilweise einige hundert Meter daneben Lassi getrunken und in die Richtung geschaut, was auch nicht negativ aufgefallen ist. Schon eher paradox in meinen Augen.

In der Stadt werden zudem religiöse Zeremonien gehalten, wie beispielsweise die Aarti. Ganga Aarti ist eine Puja-Zeremonie, die jeden Morgen bei Sonnenaufgang und jeden Abend bei Sonnenuntergang stattfindet. Die Aarti-Zeremonie ist eng mit den hinduistischen Traditionen verflochten. Die Legende besagt, dass Lord Brahma, der Schöpfer des Universums, das erste Ganga Aarti in Varanasi durchführte. Im Laufe der Zeit gewann das Ritual an Bedeutung und ist nun fester Bestandteil eines jeden Tages in Varanasi. Dieses Ritual wird durchgeführt, um dem heiligen Fluss Ganges und damit auch der Göttin Ganga zu huldigen. Die Menschen glauben, dass die Teilnahme an der Ganga Aarti in Varanasi und das Einatmen des Rauchs der Lampe an der Ganga Aarti die Seele reinigt. 

Die Zeremonie wird von fünf gelehrten Pujari (Priester) aus Varanasi durchgeführt. Alle Priester tragen das gleiche Outfit, einen weißen/cremefarbenen Dhoti, eine safranfarbene Kurta und eine goldene gamcha (eine Art Schal, der über der Schulter liegt und um die Hüften gebunden wird). 

Das Ritual folgt in der Regel einer Reihe von Reihenfolgen, beginnend mit einem Reinigungsritual. Die Priester reinigen ihre Hände, ihren Mund und ihren Körper als symbolische Geste der Reinigung und bereiten sich darauf vor, dem Göttlichen Gebete darzubringen. Das Hauptritual der Ganga Aarti ist das Anzünden von Öllampen. Im Uhrzeigersinn beginnen die Priester, die riesigen Feuerlampen zu kreisen. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Ganga Aarti ist das Schwingen von Räuchergefäßen, Räucherstäbchen und Weihrauch. Der Weihrauch steht beispielsweise für die Reinigung der Atmosphäre und die Erhebung der Gedanken in Richtung des göttlichen Reiches. 

Zudem werden Blumenblätter in die Luft geworfen und damit dem Fluss dargebracht. Dieser Akt symbolisiert Hingabe und Dankbarkeit, da die Blumen als schöne Opfergabe an die göttliche Göttin Ganga angesehen werden. Während des gesamten Aarti singen die Priester heilige Hymnen und Mantras, bitten um Segen und beten für den Ganges und die mit ihm verbundenen Gottheiten. 

Ich habe an der Zeremonie zweimal teilgenommen…einmal von den Treppenstufen, mit Blickrichtung Wasser und das zweite Mal von einem Boot aus. Ich fand die Zeremonie unglaublich faszinierend. Ich war sehr bewegt von den Gesängen und fast schon hypnotisiert von den Bewegungen der Priester. Generell hatte dieser Platz und die Bewegungen eine beruhigende Wirkung auf mich, ich habe mich geerdet und innerlich ruhig danach gefühlt. Es war schon fast magisch, die Lichter der Öllampen, die sich abheben vom immer dunkler werdenden Himmel… Also allemal ein Besuch wert! 

Zusammenfassend ist Varanasi ganz anders als alle anderen Städte, die ich vorher erlebt habe. Der Fokus liegt hier viel mehr auf der Spiritualität und dem Glauben und die Stadt umgibt eine besondere Atmosphäre, die mich berührt und mir ein Stück Frieden geschenkt hat… vor allem die Umgebung nah am Wasser ist wirklich schön und auf eine Art auch besänftigend. Ich habe die engen Gassen sehr genossen (die noch immer sich durchquetschenden Mofas nicht), das vorzügliche Essen, sowie den weltbesten Lassi trinken können. Zudem fand ich es unfassbar interessant hier nochmal auf ganz andere Weise mit dem Hinduismus in Kontakt zu kommen. So konnte ich an einigen Ritualen teilnehmen und habe Ansichten/spirituelle Geschichten/Verhaltensweisen etc. erleben und im Nachhinein durch Erklärungen nachvollziehen dürfen. Doch habe ich längst nicht alles erlebt, gesehen und verstanden, vor allem auf spiritueller Ebene. Also hoffentlich bis zum nächsten Mal Varanasi!

Hier noch ein paar Fotos:)

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